035 - Das Wachsfigurenkabinett by Neal Davenport

035 - Das Wachsfigurenkabinett by Neal Davenport

Autor:Neal Davenport [Davenport, Neal]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
veröffentlicht: 2013-09-07T22:00:00+00:00


Daniel Shorter beobachtete noch immer das Wachsfigurenkabinett in der Benson Road. Er hatte sich mit Ronny Murray abgewechselt und auch einige Stunden vor dem Eingang in der Honor Oak Road gewartet und jeden Besucher unauffällig fotografiert; doch es waren nicht viele Besucher gekommen.

Jetzt war es kurz nach zehn Uhr. Alle Fenster waren dunkel, doch Madame Picard befand sich noch im Haus.

Shorter war das Warten gewöhnt; es gehörte zu seinem Beruf. Er hing seinen Gedanken nach, die sich heute besonders mit seiner verschwundenen Frau und seiner Tochter beschäftigten. Er vermißte Mabel sehr und beinahe noch mehr seine Tochter. Die beiden waren sein Lebensinhalt gewesen, und nun waren sie verschwunden und sein Leben war leer und inhaltslos geworden. Er hoffte noch immer, daß die beiden irgendwann auftauchten, obwohl er insgeheim wußte, daß diese Hoffnung sinnlos war. Mabel und Susi waren sicherlich einem Verbrechen zum Opfer gefallen. Er hatte mit dem Leben abgeschlossen, doch nicht den Mut zum Selbstmord aufgebracht.

Er saß im Wagen, den Sitz weit zurückgeschoben, und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Gelegentlich stellte er das Radio an. Und jede halbe Stunde setzte er sich über Funk mit Ronny Murray in Verbindung.

Zehn Minuten nach zehn Uhr meldete sich Murray plötzlich. »Eben verläßt Madame Picard das Haus. Sie steht vor der Tür und sieht sich um. Jetzt sperrt sie ab und geht auf einen weißen Morris zu. Sie steigt ein. Ich werde ihr folgen. Du kannst jetzt nach Hause gehen.«

»Verstanden«, sagte Shorter.

Er blieb aber sitzen und starrte weiter das Haus an. Zwar hatte er von Dorian Hunter keinen Auftrag erhalten, das Haus zu durchsuchen, doch die Gelegenheit kam ihm günstig vor. Denn je länger er nachgedacht hatte, um so sicherer war er geworden, daß Madame Picard etwas mit dem Verschwinden seiner Familie zu tun hatte.

Er wartete noch einige Minuten, dann stieg er aus. Die Straße war leer. Kein Mensch war zu sehen, kein Auto fuhr vorbei. Er hatte auch die anderen Häuser in der schmalen Straße beobachtet: alle Fenster waren dunkel.

Shorter überquerte die Straße und blieb vor der Tür stehen, die ins Wachsfigurenkabinett führte. Er sah sich nochmals um und nahm sich dann das Türschloß vor. Innerhalb einer halbe Minute hatte er es geöffnet. Vorsichtig stieß er die Tür auf und huschte in den Vorraum. Er zog die Tür hinter sich zu, blieb stehen, holte seine Stablampe heraus und schirmte den Lichtstrahl mit der Hand ab.

Die Kasse war leer. Völlige Ruhe herrschte; nur seine Schritte hallten in der Stille. Die Tür zum Wachsfigurenkabinett war nur angelehnt. Er stieß sie auf, ließ den Strahl der Lampe durch die Gänge huschen und ging dann an den Figuren vorbei. Gelegentlich blieb er stehen und sah die eine oder andere genauer an. Im Schein der Lampe wirkten sie recht eindrucksvoll.

Shorter erreichte schließlich eine Tür, die versperrt war. Sekundenlang überlegte er, ob er sie öffnen oder das Wachsfigurenkabinett wieder verlassen sollte. Dann entschied er sich, die Tür zu öffnen. Das Schloß war nicht einfach. Er arbeitete mehr als fünf Minuten lang, ehe die Tür endlich aufsprang.

In diesem Moment hörte er ein Geräusch hinter sich.



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